04.03.2020 | Bayerische Sparkassen: Niedrigzinsen stärker spürbar

Starkes Kundengeschäft bei hohem Ergebnisdruck

„Sparkassen und ihre Kunden sitzen im selben Boot – die Auswirkungen der aktuellen Niedrigzinssituation treffen alle gleichermaßen an einer der empfindlichsten Stellen: Wenn unsere Kunden das Gefühl haben, dass ihr Geld nicht mehr zu vertretbarem Risiko ertragreich angelegt werden kann, funktioniert unser gewohnter Umgang mit den Finanzen nicht mehr. Wir alle müssen uns anpassen," stellte Dr. Ulrich Netzer, Präsident des Sparkassenverbands Bayern, heute in München fest. „Unsere Kunden bringen uns trotz schwieriger Einschnitte großes Vertrauen entgegen und wir kämpfen dafür, ihre Finanzgeschäfte weiterhin sinnvoll zu gestalten. Wir gehen den Weg gemeinsam.“

So konnten die bayerischen Sparkassen ihr Kundengeschäft auch im Geschäftsjahr 2019 zwar wieder stark ausbauen: Sowohl bei Privat- als auch bei Unternehmenskunden sind Kredit- und Einlagevolumen überdurchschnittlich gestiegen. Während ihre Kunden bei Finanzierungen von der aktuellen Nullzinslage profitieren, gestaltet sich die Situation bei den Einlagen schwierig. Mit der EZB-Geldpolitik der letzten Jahre sind renditebringende Anlagen ohne Risiko faktisch nicht mehr möglich – sehr viele Kunden „parken“ ihr Geld daher in Sichteinlagen. Damit verzichten sie auf Ertragschancen, die sie bei gutem Risikomanagement über Wertpapiere erzielen könnten.

Den Sparkassen entstehen aus dieser Reaktion Einlagenüberhänge, die in wesentlichen Teilen kurzfristig verfügbar gehalten werden müssen. Ihr Zinsüberschuss sinkt dabei kontinuierlich, so dass der große Markterfolg der Sparkassen keinen Niederschlag im Jahresergebnis findet – auch die gewachsenen Vertriebserfolge werden vom genauso angestiegenen Verwaltungsaufwand wieder aufgefressen. Die bayerischen Sparkassen konnten trotzdem einen auskömmlichen Jahresüberschuss erzielen. Angesichts von Negativzinsen, Regulierungsdruck und Digitalisierungsschub brauchen sie ihn aber auch, um ihre Leistungsfähigkeit für die bayerischen Regionen langfristig zu sichern.

Netzer: „Die Folgen aus zehn Jahren Niedrigzinsen kommen bei unseren Kunden und in unserem Geschäftsbetrieb immer deutlicher zum Vorschein. Die Sparkassen müssen jetzt neue Wege suchen, um damit so umzugehen, dass weder ihre Kunden noch sie selbst zu stark belastet werden. In einer starken Kundenbeziehung finden wir auch gemeinsame Wege und sinnvolle Anlageprodukte.“

Megatrends für Sparkassen und ihre Kunden mehr lesen schließen

Die Sparkassen und ihre Kunden sehen sich machtvollen Trends gegenüber, die ihr Umfeld verändern. „Die Welt verändert sich gravierend, schnell und inzwischen persönlich spürbar für alle,“ erklärte Netzer. „Es kommt immer mehr darauf an, gemeinsam zu handeln und Lösungen zu finden, mit denen alle der Zukunft gewachsen sind.“ Er identifizierte vor allem drei Megatrends, angesichts derer die Sparkassen und ihre Kunden im gleichen Boot sitzen, und nun für sich und gemeinsam einen neuen Kurs bestimmen müssen:

  1. Null- bis Negativzinsen: In einer Welt ohne Zinsen funktionieren etablierte Mechanismen im Umgang mit Finanzen nicht mehr. Das wird an den Ergebnissen der Sparkassen ebenso wie an der Vermögensentwicklung der Sparer sichtbar.
  2. Digitalisierung: Die rapide zunehmende digitale Transformation verändert die Arbeitsprozesse der Sparkassen genauso wie die Ansprüche und das Verhalten ihrer Kunden. Dabei erleben die Sparkassen Kunden, die gerne online gehen und alles bargeldlos, möglichst über das Smartphone, erledigen möchten. Und sie haben Kunden, die sich mit den digitalen Möglichkeiten schwertun. Auch hier stehen die Sparkassen im Wort.
  3. Nachhaltigkeit: Das Thema Nachhaltigkeit – und damit ökologisch, sozial und ökonomisch verantwortliches Handeln – ist mitten in der Gesellschaft angekommen. Sparkassen wie ihre Kunden stellen bisherige Verhaltensmuster auf den Prüfstand.
 
1. Geschäftsentwicklung bei Null- bis Negativzinsen

Unternehmenskunden 2019 mehr lesen schließen

Unternehmen und Selbständige sind weiterhin die größte Kundengruppe im Kreditgeschäft der bayerischen Sparkassen: Sie stehen für 54 Prozent aller vergebenen Kredite (Gesamtvolumen Kredite: 142,3 Milliarden Euro). Gleichzeitig halten sie 13 Prozent der Einlagen bei den Sparkassen. Sie profitieren von derzeit günstigen Konditionen in der Unternehmensfinanzierung, sind aber in ihren Geldanlagen vom negativen Zinsumfeld betroffen. 

 

Bayerische Sparkassen: Unternehmenskredite sind besonders gefragt

Der Bestand an Unternehmenskrediten wuchs dabei 2019 überdurchschnittlich um 5,9 Prozent auf 76,3 Milliarden Euro. Netzer betonte: „Der hart umkämpfte Markt für Unternehmenskredite ist nach wie vor hoch dynamisch. Die Kreditnachfrage ist immer noch auf Rekordhöhe, der bayerische Mittelstand agiert zuversichtlich.“

Das Kreditvolumen von Unternehmen und Selbständigen wächst seit Jahren besonders stark, so dass der Anteil der Mittelstandskredite an den Gesamtausleihungen zunimmt.

 

 

 

2015

2016

2017

2018

2019

Kreditvolumen   Unternehmen(in Mrd. €)

62,0

64,6

68,2

72,1

76,3

Veränd. ggü. Vorjahr

+4,8 %

+4,2 %

+5,6 %

+5,6 %

+5,9 %

 

Die immer tiefere Verwurzelung im mittelständischen Firmenkundengeschäft macht die zentrale Stellung der Sparkassen für den bayerischen Mittelstand deutlich. Sie sind das finanzielle Rückgrat für den Mittelstand und stehen damit auch für wirtschaftlichen Erfolg und sichere Arbeitsplätze in den Regionen.

Im Jahr 2019 wurden neue Darlehenin Höhe von 16,9 Milliarden Euro an Unternehmen und Selbständige zugesagt. Das sind 4,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Netzer dazu: „Die Darlehenszusagen wachsen weiterhin stetig, doch wir beobachten inzwischen eine Entschleunigung des Wachstums. Die bayerischen Unternehmen sind also nach wie vor hochdynamisch, die Zeichen stehen auf Expansion. Am langsameren Wachstum lässt sich aber ablesen, dass sich die konjunkturellen Aussichten perspektivisch weiter eintrüben.“

 

2015

2016

2017

2018

2019

Darlehenszusagen

Unternehmen
  (in   Mrd. €)

13,7

13,8

15,1

16,1

16,9

Veränd. ggü. Vorjahr

+17,8 %

+0,6 %

+9,1 %

+7,1 %

+4,5 %

 

Vor diesem Hintergrund betonte Netzer, dass die Bedingungen für die Mittelstandsfinanzierung nicht erschwert werden dürften. Auch angesichts des harten z.T. internationalen Wettbewerbs brauchen kleine und mittlere Unternehmen zuverlässige Finanzierungsbedingungen: „Kredite an Mittelständler sind nachgewiesen weniger risikobehaftet als solche an Großunternehmen. Darum ist es richtig, dass sie mit weniger Eigenkapital unterlegt werden und damit kostengünstiger sind. Das muss auch bei der Umsetzung von Basel III in europäisches Recht beachtet werden. Doch die EBA rechnet damit, dass die Mindestkapitalanforderungen bei den europäischen Banken um ca. 24 Prozent ansteigen werden – um dann die Kreditvergabe nicht einzuschränken müssten diese also massiv Eigenkapital aufstocken. Bei Sparkassen geht das nur über Gewinnthesaurierung – und damit nur sehr langfristig.“

Netzer kritisierte auch das geplante Vorgehen der EU im Aktionsplan Sustainable Finance: „Nachhaltigkeit ist ein absolut essentielles Thema. Doch man setzt am falschen Hebel an, wenn man die Finanzwirtschaft als Instrument zur Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen in der Wirtschaft benutzen will. Denn Kreditinstitute haben die klare Aufgabe die Realwirtschaft durch Liquidität, Finanzierungsmittel und Anlagemöglichkeiten zu unterstützen und nicht, sie durch Bürokratie und Restriktionen zu behindern.“

Privatkunden 2019 mehr lesen schließen

Privatpersonen bilden insgesamt die größte Kundengruppe der bayerischen Sparkassen: Sie stehen für 41,3 Prozent des Kreditvolumens und 80 Prozent aller Einlagen (Gesamtvolumen Einlagen: 175,0 Milliarden Euro). Das aktuelle Zinsumfeld begünstigt die privaten Kreditnehmer, während die privaten Sparer darunter leiden.

 

Bayerische Sparkassen: Private Immobilienkredite wachsen weiter

Fast 90 Prozent der 2019 ausgereichten Kredite der Sparkassen an Privatpersonen waren Immobilienkredite (52,8 Milliarden Euro; +4,8 Prozent). Dieser Bestand wächst seit einiger Zeit langsamer als der von Bauträgern und anderen Wohnungsunternehmen (2019: +8,4 Prozent). Der Markt für private Immobilien hat sich zusehends verengt und Private stehen so vor allem in Ballungsgebieten immer öfter vor Hürden beim Immobilienerwerb. 2019 wuchs das Neugeschäft mit Privaten allerdings erstmals wieder überdurchschnittlich. Netzer: „Die Nachfrage nach Immobilien wird angesichts der langen Zins-Durststrecke nochmals zum Ventil für viele, die den Vermögensaufbau ansonsten über Kapitalmarktanlagen gesucht hätten. Wohneigentum ist in Bayern – wenn man von den Hochpreisregionen absieht – trotz der gestiegenen Preise für viele machbar. Historisch niedrige Zinsen, gestiegene Gehälter und die attraktive staatlicheFörderung mit Baukindergeld, bayerischer Eigenheimzulage und Wohnriester relativieren die Preisanstiege. Auffällig dabei ist, dass der damit verbundene Preisanstieg auch jetzt keine Zeichen für eine Immobilienblase sendet – die Objekte sind solide finanziert und ein Ausbleiben der Nachfrage ist nicht in Sicht.“

Auch im Bauspargeschäft verzeichneten die bayerischen Sparkassen 2019 eine gute Entwicklung: „Immer mehr Menschen bauen hier sinnvoll Eigenkapital auf und sichern sich gleichzeitig mit einem Bausparvertrag langfristig niedrige Kreditzinsen für die Zukunft,“ betonte Netzer.Nach einem besonders erfolgreichen Jahr 2018 blieben die Sparkassen 2019 auf Niveau und vermittelten eine Bausparsumme von insgesamt 6,67 Milliarden Euro. Mit Perspektive auf die Zukunft begrüßteNetzer, dass die staatliche Förderung für Bausparer mit der Wohnungsbauprämie ab 2021 angehoben wird (Einkommensgrenze von 25.600 auf 35.000 Euro, Prämienhöhe 10%) – dies helfe für den Vermögensaufbau in der Breite.

Bayerische Sparkassen: Noch stärkerer Zuwachs privater Kundeneinlagen

Die Einlagen der Privatkunden sind 2019 trotz niedrigster Zinsen erneut deutlich angestiegen: Sie legten um 6,2 Milliarden Euro auf 140,0 Milliarden Euro zu (+4,6 Prozent).

 

2015

2016

2017

2018

2019

Einlagenvolumen   priv.

(in Mrd. €)

118,0

123,2

128,1

133,8

140,0

Veränd. ggü. Vorjahr

+4,3 %

+4,5 %

+4,0 %

+4,4 %

+4,6 %

 

Der Zuwachs resultiert ausschließlich aus der erneut starken Zunahme (+9,4 Prozent) von täglich fälligen Geldern/Sichteinlagen. Alle anderen Einlageformen waren infolge der Niedrigzinsen auch 2019 wieder rückläufig. 80 Prozent aller neuen Sichteinlagen stammen von Privatkunden, doch auch alle anderen Kundengruppen haben diesen Posten 2019 deutlich aufgestockt. Insgesamt stieg auch der Marktanteil der Sparkassen bei Sichteinlagen seit Jahresbeginn.

 

2015

2016

2017

2018

2019

Sichteinlagen   priv.

(in Mrd. €)

68,6

76,0

82,3

89,1

97,4

Veränd. ggü. Vorjahr

+11,3%

+10,8%

+8,2 %

+8,3 %

+9,4 %

 

Netzer dazu: „In dieser zinslosen Zeit sehen die Kunden Sichteinlagen bei ihrer Sparkasse als sichere Möglichkeit, um ihr Geld dort zu „parken“. Damit verzichten sie aber auf Erträge, die sie bei gutem Risikomanagement über Wertpapiere durchaus erzielen könnten. Auch mit regelmäßigen kleinen Anlagebeträgen im Wertpapiersparen kann sinnvoll Vermögen aufgebaut werden.“ Er erklärte auch, was große Sichteinlagen für die Sparkassen bedeuten: „Betriebswirtschaftlich werden sie für uns auf Dauer zur Belastung. Der sogenannte Einlagenüberhang – die Einlagesumme also, die wir nicht wieder als Kredite ausgeben können – kommt uns teuer zu stehen: Einen wesentlichen Teil müssen wir liquide halten und bezahlen deshalb unsererseits Verwahrentgelte bei anderen Kreditinstituten dafür. Darüber hinaus können die Sparkassen wie ihre Kunden keinen Zinsertrag erzielen bzw. müssen teure Zinssicherungsgeschäfte für ihre Anlagen tätigen.“

 

Bayerische Sparkassen: Geldvermögen / Wertpapiere

Vor dem Hintergrund der aktuellen Zinssituation betonte Netzer nochmals explizit die Rolle von Wertpapieren für den mittel- bis langfristigen Aufbau von Kapital: „Vermögensaufbau als Kern privater Vorsorge funktioniert nicht mehr über Sichteinlagen. Geldanlagen sollten heute langfristig über Wertpapiere und das Wertpapiersparen organisiert werden. Das ist auch zu vertretbaren Risiken möglich. Wer seine Anlage nicht selbst strukturieren möchte, findet dazu kompetente Beratung bei seiner Sparkasse.“

Dass immer mehr Kunden diesen Argumenten aufgeschlossen gegenüberstehen zeigt das Wertpapiergeschäft der bayerischen Sparkassen in 2019: Mit dem guten Börsenjahr ist der Wertpapierumsatz nach einem Rückgang im Vorjahr um 5,6 Prozent gewachsen. Dabei übersteigen zum siebten Mal in Folge die Wertpapierkäufe wieder deutlich die -verkäufe. Deutlich zugenommen haben 2019 die Käufe von Investmentfonds (+11,3 Prozent).

 

Noch mehr Kunden als im Vorjahr haben sich inzwischen auch dem regelmäßigen Wertpapiersparen zugewandt. Die Zahl der Fondssparpläne mit unserem Verbundpartner Deka stieg 2019 um 121.362 Verträge (+15 Prozent; 2018: +11 Prozent). Netzer zeigte sich zufrieden mit dieser Entwicklung und betonte nochmals, wie wichtig der langfristige Vermögensaufbau über Wertpapiere auch für Kleinanleger sei. „Deutsche Anleger müssen endlich verstärkt in Wertpapiere – auch Aktien – investieren, statt in zinslose Sichteinlagen,“ so Netzer. „So gelingt auch Klein-Anlegern der Weg aus der Niedrigzinsfalle.“

2019 war dabei insgesamt wieder ein Jahr der Geldvermögensbildung: Die Privatkunden der Sparkassen legten wie im Vorjahr insgesamt knapp 8,8 Milliarden Euro neu auf ihren Konten, Depots, in Bausparverträgen und Lebensversicherungen an. „Die Menschen denken an die Zukunft, geben nicht alles in den Konsum, sondern sparen“, hob Netzer hervor. „Wir dürfen aber nicht vergessen, dass nicht alle Einkommensgruppen diese Möglichkeiten haben.“

Netzer forderte flankierende staatliche Fördermaßnahmen um Aktien und Wertpapiere als weitere Säule der Altersvorsorge zu stärken.Als perspektivisch hilfreich bezeichnete Netzer den Vorschlag, die Spekulationsfrist für Aktien wiedereinzuführen.Wer eine Aktie oder Anleihe länger als fünf Jahre hält, soll laut diesem Vorschlag von der Steuer auf Kursgewinne befreit werden. Netzer: „Das überzeugt, denn Aktien müssen in der langen Niedrigzinsphase dringend an Bedeutung für Sparer gewinnen, wenn Rendite erzielt werden soll. Mit dieser steuerlichen Erleichterung würden nicht nur Aktienbesitzer, sondern auch die Kleinsparer profitieren, die mit regelmäßigen kleinen Beträgen in Wertpapierfonds etc. investieren.“

 

Eine massive Behinderung für den Aufbau von privatem Vermögen zur Altersvorsorge sieht Netzer hingegen in einer Finanztransaktionssteuer, wie sie bereits seit mehreren Jahren in der Diskussion steht: „Ursprünglich gedacht für den Hochfrequenzhandel würde sie der breiten Aktienkultur schaden – gerade in der jetzigen Situation ist das absolut widersinnig. Der Plan sollte deshalb möglichst bald vom Tisch.“

 

Insgesamt entscheidend sei, dass die politische Diskussion über geeignete staatliche Fördermaßnahmen fortgesetzt werde um die finanzielle Vorsorge zu stärken. In diesem Zusammenhang forderte Netzer erneut eine deutliche Anhebung des Sparerfreibetrags, damit auch Niedrigverdiener bessere Chancen zur Zukunftsvorsorge haben.

Rentabilität der Sparkassen 2019 mehr lesen schließen

Bayerische Sparkassen: Zinsüberschuss weiterhin rückläufig

Die Geschäftsentwicklung spiegelt 2019 wie bereits in den Vorjahren, dass die bayerischen Sparkassen im Kundengeschäft stark wachsen. In der Ertragsentwicklung konnte sich dieses Wachstum allerdings auch 2019 wieder nicht niederschlagen, da der Zinsüberschuss in der aktuellen Zinssituation weiter schrumpft (‑1,7 Prozent). Er kann nicht parallel mit der Geschäftsentwicklung wachsen, in Relation zur Durchschnittlichen Bilanzsumme sinkt er bereits im achten Jahr in Folge sogar sehr deutlich. Netzer erklärt: „Wir haben hier nach wie vor die verrückte Situation, dass wir eigentlich kräftig wachsen, der Erfolg aber durch die Negativzinspolitik quasi sofort wieder verdampft. Das können wir auch bei bester Gegensteuerung nicht vollständig kompensieren.“

 

2015

2016

2017

2018

2019

Zinsüberschuss

(in Mio. €)

3.748,7

3.606,3

3.447,6

3.305,1

3.248,6

in % der DBS

1,98 %

1,85 %

1,73 %

1,60 %

1,51 %

Ursache ist die von der Europäischen Zentralbank gesteuerte Zinssituation. Durch ihre Politik ist der Zinsüberschuss, der die Hauptertragsquelle für Sparkassen ist, nachhaltig rückläufig. Denn in einer Welt ohne Zinsen fehlt den Sparkassen die Grundlage für ihr Geschäftsmodell – der Preis für Geld. Und genauso wie ihren Kunden fehlt es auch ihnen an rentierlichen Anlagemöglichkeiten. Kunden parken Geld in Sichteinlagen, die zwar keinen Zinsertrag bringen, aber sicher sind. Das vergrößert den Einlagenüberhang der Sparkassen, die damit aber nicht wie früher arbeiten können:

  1. Das Zinsniveau im Kreditgeschäft ist so niedrig, so dass die Zinsmarge, d. h. der verbleibende Überschuss zwischen vereinnahmten und bezahlten Zinsen immer weiter schrumpft.
  2. Gleichzeitig wächst der Überhang, den die Sparkassen ihrerseits auch nicht rentabel am Markt anlegen können bzw. nur zu höherem Risiko.
  3. Ein Teil des Einlagenüberhangs wird daher bei anderen Kreditinstituten eingelegt, dafür fallen aber negative Zinsen (Verwahrentgelte) an.
  4. Mit der anhaltend flachen Zinsstruktur brechen Erträge aus der Fristentransformation zwischen Anlagen unterschiedlicher Laufzeiten weg.

Netzer erklärt: „Die Hydra Nullzinsen ist ein mehrköpfiges Monster – wir kämpfen an mehreren Fronten. Beim Blick auf unsere gestiegenen Sichteinlagen in Höhe von jetzt knapp insgesamt 129 Milliarden offenbart sich das Dilemma ganz klar: Die Bedingungen sind zu ungünstig und der Überschuss zu groß, um wie früher gut damit arbeiten zu können. Das wird sich auch so fortsetzen, wenn die Zinssituation unverändert bleibt. Weitere Zinsschritte und das mit hohem Volumen fortgeführte Anleihen-Kaufprogramm der EZB verschärfen die Lage jeweils und lassen der Hydra nochmals neue Köpfe wachsen. Bislang haben sich die Sparkassen gut geschlagen, die Spielräume sind aber begrenzt. Auf Dauer wird es immer schwieriger, den Rückgang über andere Ertragsquellen und Kostensenkungen aufzufangen“, erklärte Netzer.

Bayerische Sparkassen: Betriebsergebnis vor Bewertung rückläufig

2019 erzielten die bayerischen Sparkassen ein Betriebsergebnis vor Bewertungvon rund 1.621 Millionen Euro. Es liegt um 3,0 Prozent bzw. 50,2 Millionen Euro unter dem Vorjahresergebnis. Maßgeblich für diese Entwicklung war, dass der Rückgang des Zinsüberschusses (-56,6 Millionen Euro) auch durch eine deutliche Steigerung der Provisionsüberschüsse (+80,5 Millionen Euro) nicht kompensiert werden konnte. Denn die – trotz Sparmaßnahmen – gestiegenen Verwaltungsaufwendungen (ebenfalls +80,5 Millionen Euro) zehrten diese guten Erträge aus dem Vertrieb vollständig auf. Dementsprechend hat sich auch die Cost-Income-Ratio der bayerischen Sparkassen von 64,3 Prozent in 2018 auf 65,6 Prozent in 2019 verschlechtert. Für jeden Euro Verdienst mussten die bayerischen Sparkassen im vergangenen Jahr also fast 66 Cent einsetzen.

Der Trend in der Entwicklung des operativen Ergebnisses zeigt, dass sich die Spielräume zur Gegensteuerung weiter verengt haben. Effizienzsteigerung, Kostenoptimierung und wachsender Vertriebserfolg können das Betriebsergebnis nicht auf dem alten Niveau halten. „Das Betriebsergebnis ist jetzt im Durchschnitt noch auskömmlich. Doch bei weiterem Anhalten der aktuellen Zinssituation müssen die Sparkassen tiefer eingreifen um den Abwärtstrend abzupuffern,“ befürchtet Netzer.

 

2015

2016

2017

2018

2019

Betriebsergebnis   vor Bewertung

(in Mio. €)

1.815,3

1.735,5

1.757,6

1.671,3

1.621,0

in % der DBS

0,96 %

0,89 %

0,88 %

0,81 %

0,75 %

Die klassischen Maßnahmen der bayerischen Sparkassen zur Ergebnisstabilisierung setzen weiterhin auf verschiedenen Ebenen an:

  • Die Sparkassen steigern konsequent ihre Vertriebsanstrengungen und nutzen das lebhafte Wachstum im Kundengeschäft. Auch 2019 konnten sie z.B. über Vermittlungsgebühren für Immobilien und Versicherungen und im Bauspar- und Wertpapiergeschäft ihren Provisionsüberschuss wieder steigern (2019: +6,2 Prozent, 2018: +2,9 Prozent; 2017: +10 Prozent).
  • Mit Altersteilzeitprogrammen, reduzierten Arbeitszeiten/Teilzeitmodellen und der konsequenten Nutzung der natürlichen Fluktuation konnten die Mitarbeiterkapazitäten in den vergangenen drei Jahren jeweils gesenkt werden (2019: -2,9 Prozent, 2018: ‑ 4,0 Prozent, 2017: -4,5 Prozent). 2019 war es aber nicht möglich, dadurch auch den Personalaufwand zu senken. Die 2018 vereinbarte hohe Tariflohnsteigerung im öffentlichen Dienst hat hier 2019 (+ 3,09 Prozent) noch nachgewirkt. Mit Blick auf den weiter sinkenden Zinsüberschuss ist für die Sparkassen ein weiterer Tarifabschluss dieser Höhe im Herbst 2020 nicht vorstellbar.
  • 2019 konnten die Sparkassen zwar interne Aufwandsposten weiter senken, der Spielraum dafür ist allerdings enger geworden. Dazu kamen erhöhte Kosten für den Umbau vieler Filialen und auch für IT-Investitionen insbesondere wegen der Bankenregulierung. Der Sachaufwand ist deshalb nach einer leichten Senkung in 2018 wieder gestiegen (+5,4 Prozent).

Die bayerischen Sparkassen stoßen bei ihren Effizienzmaßnahmen inzwischen aber immer öfter an Grenzen. Es gibt bereits erste Institute, bei denen der Zinsüberschuss den Verwaltungsaufwand nicht mehr deckt. Sie sind also gehalten, neue Wege zu beschreiten. Netzer dazu: „Die betriebswirtschaftlich schwierigsten Zeiten stehen uns noch bevor, weil sich die Auswirkungen der Niedrigzinssituation verschärfen und viele erfolgreiche Gegensteuerungspotenziale bereits ausgeschöpft sind. Wir müssen unsere Vertriebsanstrengungen weiter intensivieren, durchgehend Dienstleistungen bepreisen und unseren Zinsaufwand senken. Dazu gehört in Teilen auch, dass wir manche Altverträge kündigen und für große Einlagesummen Verwahrentgelte veranschlagen.“

Bayerische Sparkassen: Bewertungsergebnis/Jahresüberschuss

Der Blick auf das Bewertungsergebnis zeigt insgesamt einen guten Erfolg: Nach einem guten Börsenjahr 2019 konnten im Wertpapiergeschäft zum Jahresende 2019 sehr deutliche Zuschreibungen vorgenommen werden. Im Kreditgeschäft waren allerdings zum zweiten Mal leichte Zuführungen zur Risikovorsorge notwendig. Damit normalisiert sich das Bewertungsergebnis im Kreditbereich nach vorangegangenen Boom-Jahren. Trotzdem spüren die Sparkassen hier die gute Bonität ihrer Kunden, die auch bei beginnender konjunktureller Eintrübung stabil bleibt.

 

Dank des guten Bewertungsergebnisses im Wertpapiergeschäft steht 2019 am Ende ein gutes Betriebsergebnis nach Bewertung von 1,076Millionen Euro. Nach den noch vorläufigen Berechnungen (Ende der Jahresabschlussprüfungen: 31.05.2020) wird nach Steuern am Ende ein Jahresüberschuss von 441,4 Millionen Euro (2018: 332,5 Millionen Euro) stehen.

2. Megatrend Digitalisierung mehr lesen schließen

Das ständige Fortschreiten der digitalen Transformation verändert den Alltag der Sparkassen genauso wie den ihrer Kunden. Die Finanzwirtschaft – nicht nur die Sparkassen – steht auch ohne Niedrigzinssituation vor einer der größten Herausforderungen ihrer Geschichte. Der Umbruch, der sich mit der digitalen Transformation vollzieht, umfasst alle Bereiche des traditionellen Bankwesens. Jeder Teil der Wertschöpfungskette ist betroffen: Digitale Lösungen für die Endkunden, digitalisierte Prozesse im Bankbetrieb, neue digitale Geschäftsmodelle im Bankenmarkt. All das bedeutet Neuorientierung und Investition.

Gleichzeitig wandeln sich die Ansprüche und das Verhalten der Kunden: Mit jedem Jahr nimmt die Bedeutung digitaler Services im Bankgeschäft zu. Es sind nicht mehr nur digital natives, die hier das Internet nutzen wollen – digitales Banking wird zum Breitenphänomen. Rund die Hälfte unserer Privatkunden greift inzwischen per Computer, Tablet oder Smartphone auf ihr Konto zu, 75 Prozent davon nutzen auch das elektronische Postfach für die sichere Kommunikation. Bei den Firmenkunden sind nahezu alle online. Ende 2019 nutzten auch bereits bundesweit mehr als 8 Millionen Kunden regelmäßig die Sparkassen-App, die wiederholt von der Stiftung Warentest als beste Banking-App ausgezeichnet wurde.

 

Daneben wird kontaktloses Bezahlen zusehends zur Normalität. Auch wenn Deutschland traditionell Bargeld-Land ist, setzen sich schon generell Kartenzahlungen immer mehr durch: Insgesamt 3,79 Milliarden girocard-Transaktionen wurden 2019 durchgeführt, davon 1,74 Milliarden allein von Sparkassenkunden. 37,3 Prozent aller Transaktionen (=27 Prozent des Umsatzes) liefen sogar kontaktlos. Immer mehr Kunden entdecken diese schnelle und einfache Bezahlweise für sich. Roland Schmautz, Vizepräsident des Sparkassenverbands Bayern erläuterte: „Neue Lösungen brauchen immer ihre Zeit, bis die Kunden sie am Point of Sale tatsächlich einsetzen. Hier geht es erfahrungsgemäß nicht um Revolution, sondern um Evolution – die allerdings ist nicht aufzuhalten.“ 94,6 Prozent aller Sparkassen-girocards sind heute schon bereit für Kontaktlos-Zahlungen, die Vollausstattung wird noch 2020 erreicht.

Mehr als die Hälfte der Kontaktlos-Zahler interessiert sich dabei allerdings für die digitale Karte im Smartphone. Denn der Bezahlvorgang ist damit schnell, noch einfacher und das Smartphone ist ohnehin meist griffbereit. Seit Sommer 2018 bieten die meisten Sparkassen die digitale girocard für NFC-fähige Android-Smartphones an. Einsetzen können Kunden diese bei allen Händlern, an deren Terminals sie auch mit der physischen girocard kontaktlos bezahlen – allein in Deutschland an rund 725.000 Händlerkassen. Seit Dezember 2019 bieten die Sparkassen auch die Möglichkeit an, mit Apple Pay zu bezahlen. Aktuell wird dazu eine Sparkassen-Kreditkarte hinterlegt, im Laufe des Jahres folgt auch die Integration der girocard.

 

Es kommt im Finanzmarkt immer mehr darauf an, technisch einwandfreie Lösungen anzubieten. Die Sparkassen investieren deshalb umfangreich in digitale Lösungen, um ihren Kunden auch außerhalb konventioneller Geschäftsstellen Sicherheit, emotionale Bindung und Convenience bieten zu können. Doch in einem überfüllten Markt genügt das nicht – differenzieren können sich Kreditinstitute letztlich nur über ihre Kundenorientierung. Kunden zu verstehen bedeutet, sie mit bedarfsorientierten Angeboten zu überzeugen. Dabei helfen digitale Technologien, sie sind aber nicht allein ausschlaggebend. Dreh- und Angelpunkt ist die über Jahre gewachsene starke Kundenbeziehung, die auf allen Kanälen gepflegt wird. „Auch unter veränderten Bedingungen bleiben Sparkassen deshalb Sparkassen – und werden nicht zu Strukturvertrieben, die sich am kurzfristigen Erfolg im Produktverkauf ausrichten,“ so Schmautz. „Im Mittelpunkt steht bei uns der Kunde mit all seinen Plänen – selbst, wenn wir an einigen Stellen Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und zur Ertragsstabilisierung aufsetzen müssen.“

Dazu gehören auch Strukturveränderungen. Mit der digitalen Transformation sind Standard-Bankgeschäfte zusehends in den Online-Bereich gewandert. Gleichzeitig ist das Personal in den Filialen weniger häufig, dann aber für spezielle, anlassbezogene Beratung gefragt. Deshalb haben viele bayerische Sparkassen ihr Geschäftsstellennetz umgebaut. „Die gestiegenen Kundenerwartungen an die Beratungsqualität erfordern meist ein Team von Fachleuten. Das können Kleinstfilialen nicht leisten,“ erklärte Schmautz. Die 64 bayerischen Sparkassen haben außerdem in Kundenservicecenter und Digitale Beratungscenter investiert. Sie betreiben gleichwohl ein immer noch dichtes Netz von 2.195Geschäftsstellen (2018: 2.260), 553 Selbstbedienungs-Geschäftsstellen (2018: 572) und 3.599 Geldautomaten (2018: 3.679). Damit bleiben sie nachhaltig stark präsent in der Fläche und sind auch für Kunden, die nicht online gehen, erreichbar. 90 Prozent der Menschen in Süddeutschland erreichen die nächste Sparkasse in weniger als 7 Minuten.

3. Megatrend Nachhaltigkeit mehr lesen schließen

Das Thema Nachhaltigkeit – und damit ökologisch, sozial und ökonomisch verantwortliches Handeln – ist mitten in der Gesellschaft angekommen. Fridays for Future, stabile Sozialsysteme, ressourcenerhaltendes Wirtschaften sind die Leitworte unserer Zeit. Die Sparkassen verorten sich hier schon durch ihren Auftrag und ihre Geschichte: Sie stehen als Teil des klassischen regionalen Wirtschaftskreislaufs in den Regionen bereits seit 200 Jahren für Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft. Sie sorgen dafür, dass die Einlagen aus der Region genau dort auch wieder als Kredite eingesetzt werden. Dabei betreiben sie keine Gewinnmaximierung – aus ihren Überschüssen finanzieren sie den eigenen Geschäftsbetrieb und stärken ihr Eigenkapital. So bleiben sie stabile Partner auch in wirtschaftlich engeren Zeiten.

Bayerische Sparkassen: Gewinnabhängige Steuern (vorläufig) und gesellschaftliches Engagement

Die bayerischen Sparkassen spielen aber auch eine Rolle als große Steuerzahler in ihren Geschäftsgebieten: Auf ihr Jahresergebnis führen sie 2019 391 Millionen Euro an gewinnabhängigen Steuern ab (bereits vom Jahresüberschuss abgezogen). 179 Millionen Euro davon sind Gewerbesteuern, die erneut auch die bayerischen Kommunen stärken.

Die Sparkassen übernehmen gemäß ihrem öffentlichen Auftrag auch eine besondere Rolle als Förderer in der Gesellschaft des Freistaats: Neben Sponsoring und Spenden haben die 64 bayerischen Sparkassen und der Sparkassenverband 2019 insgesamt 115 Stiftungen unterhalten, mit denen sie soziale Zwecke, Umwelt, Kultur und Sport in ihren Geschäftsgebieten fördern. Insgesamt haben die Sparkassen 2019 über 49 Millionen Euro für gemeinnützige Zwecke und Einrichtungen bereitgestellt – das ist fast 1 Million pro Woche. Sie entlasten damit auch ihre Trägerkommunen. Davon profitieren alle im Geschäftsgebiet – Kunden genauso wie Nichtkunden der Sparkassen.

Ausblick mehr lesen schließen

Die bayerischen Sparkassen werden für 2019 ein absolutes Ergebnis ausweisen können, das nicht weit von denen der Vorjahre entfernt ist. Einige Prognosen der Vergangenheit sind nicht eingetreten, weil die Sparkassen kraftvoll unternehmerisch gehandelt haben. Je länger die Null- und Negativzinsphase aber andauert, desto größer werden die Herausforderungen. Netzer dazu: „Der Zinsüberschuss sinkt weiter, Möglichkeiten zur Kostensenkung werden zunehmend ausgereizt sein, zusätzliche Erträge fallen nicht vom Himmel. Ergebnisse wie das von 2019 können daher auf Dauer nicht fortgeschrieben werden. Die betriebswirtschaftlich schwierigsten Zeiten stehen uns noch bevor.

Als Engpassfaktoren der kommenden Zeit nannte er ausgereizte Kostensenkungsspielräume im Personal- und Sachbereich, das Auslaufen gut verzinster Alt-Bestände von Eigenanlagen, die abflauende Konjunktur sowie die künftig deutliche Zunahme der Kapitalanforderungen mit der Basel III-Umsetzung. Die Sparkassen müssten also beherzt handeln, wenn sie rechtzeitig für eine anspruchsvolle Zukunft vorsorgen und langfristig als Partner der Regionen leistungsfähig bleiben wollen. Allerdings werden viele ihrer Maßnahmen – ob Preisanpassungen, neu erhobene Entgelte, Straffungen des Geschäftsstellennetzes oder auch die Kündigung von Altverträgen – häufig als unbillig empfunden. „Doch gleichzeitig ist offensichtlich, dass die Kunden die Leistungen der Sparkassen früher über ihre Einlagen, die weiterverliehen wurden, „bezahlt“ haben. Weil die Sparkassen mit den Guthaben heute nicht mehr ertragreich arbeiten können, sondern sogar dafür bezahlen müssen, ist das alte Modell gestört,“ erklärte Netzer. Um Kosten und Erträge in eine gute Balance zu bringen, müssten die Institute deshalb heute, wie andere Dienstleister auch, adäquate Preise für ihre Dienste ansetzen bzw. erhöhen.

Die aktuelle Zinssituation belastet die deutschen Sparer und ihre Kreditinstitute immer mehr, entwertet kapitalgedeckte Systeme und treibt die Vermögenspreise und damit auch Mieten weiter in die Höhe. Netzer begrüßte deshalb, dass die EZB inzwischen eine Überprüfung der Kriterien für ihre Zinspolitik angekündigt hat: Die EZB muss ihre geldpolitische Strategie dringend überprüfen. Denn die Stabilitätsgefahren werden immer offensichtlicher. Letztlich werden wirtschaftliche Probleme, die eigentlich energisches politisches Handeln erfordern, vertagt und mit dem Fluten der Finanzmärkte überdeckt. Fakt ist auch, dass die Deutschen ein Volk von Sparern sind – und sie sind jetzt in Mitleidenschaft gezogen für etwas, wofür sie nichts können. Die Sparkassen sitzen wiederum im selben Boot.“

Die deutsche Finanzwirtschaft steht derzeit vor einem strukturellen Herausforderungskatalog wie es ihn noch nie gab – der Druck steigt. Für die Sparkassen geht es deshalb darum, sich abzuheben und ihre besondere Kundenbeziehung weiter zu vertiefen. Dazu müssen sie in ihren Backoffice-Aufgaben deutlich besser entlastet werden als in der Vergangenheit. Netzer forderte: „Die Sparkassen brauchen standardisierte Prozesse, klare Produktlandschaften und eindeutige Strukturen und auch eine bessere Arbeitsteilung in einer straffen, zielgerichteten Verbundorganisation, damit sie sich noch stärker auf ihre Kundenbeziehung konzentrieren können. Kunden sollen deutlich spüren, warum sie am liebsten Sparkassenkunden sind.“

Einen wichtigen Baustein für den Prozess der Straffung und Verschlankung der Gesamt-Sparkassenorganisation sieht Netzer dabei in der Schaffung eines sogenannten „Zentralinstituts“, wie es derzeit in der Diskussion steht. Dabei sieht er das Ziel der Risikoreduzierung als maßgebend: „Es ist Konsens in der Gruppe, dass vor allem die Risiken der Verbundorganisation deutlich reduziert werden müssen. Sie haben sich in der Vergangenheit immer wieder aufreibend zulasten der Sparkassen realisiert. Außerdem geht es nach wie vor darum, Redundanzen abzubauen und Produktangebote zu verbessern.“ Jetzt müsse ein professioneller Prozess aufgesetzt werden, mit dem bald Schritt für Schritt die komplexen Fragen abgearbeitet werden. „Denn das Zeitfenster, in dem wir das Heft des Handelns in der Hand haben, ist nicht unbegrenzt. Wir müssen bald vorankommen.“

Alle Maßnahmen stehen letztlich immer unter der Maßgabe, dass die 378 deutschen und 64 bayerischen Sparkassen auch in Zukunft nachhaltig leistungsfähig bleiben wollen für die Menschen und die Wirtschaft in ihren jeweiligen Heimatregionen. Netzer betonte deshalb: „Zentral bleibt immer die gesunde und gedeihliche Kundenbeziehung, alles andere muss in vernünftiger Balance dazu beitragen. Wir Sparkassen haben in den letzten 200 Jahren wiederholt gezeigt, dass wir schwierige Aufgaben lösen – damit wir unseren Kunden helfen, ihre Aufgaben zu lösen.“