Zinsüberschuss weiterhin deutlich rückläufig
Die operative Geschäftsentwicklung zeigt, dass das Kundengeschäft der bayerischen Sparkassen im Pandemiejahr 2020 noch stärker gewachsen ist als in den Vorjahren. Da die Einlagen mit +7,2 Prozent sogar noch stärker als die Kredite mit +5,8 Prozent gewachsen sind, hat sich damit allerdings der bereits bestehende Einlagenüberschuss noch weiter vergrößert und infolgedessen auch die Ertragsproblematik der bayerischen Sparkassen verschärft. Denn das gute Wachstum kann sich in der aktuellen Zinssituation nicht positiv im Ergebnis niederschlagen, es verstärkt sogar den bereits vorhandenen Trend zu sinkenden Zinsergebnissen: 2020 ist der Zinsüberschuss um 3,1 Prozent auf 3.155,1 Millionen Euro gesunken. Reuter erklärte: „Man sieht den Markterfolg förmlich dahinschmelzen, er wird durch die Negativzinspolitik quasi sofort wieder neutralisiert. Der Zinsüberschuss aber ist das Herzstück des Geschäftsmodells der Sparkassen – sie brauchen ihn eigentlich dringend, um einen nachhaltig stabilen Geschäftsbetrieb zu gewährleisten. Es ist also weiterhin konsequente Gegensteuerung gefordert.“
| 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 |
Zinsüberschuss (in Mio. Euro) | 3.606,3 | 3.447,6 | 3.305,1 | 3.256,8 | 3.155,1 |
Veränd. ggü. Vj. | -3,8 % | -4,4 % | -4,1 % | -1,5% | -3,1 % |
Das Grundproblem bleibt die von der Europäischen Zentralbank gesteuerte Zinssituation. „Durch ihre Politik ist der Zinsüberschuss, der die Hauptertragsquelle für Sparkassen ist, nachhaltig und mit Blick nach vorne dramatisch rückläufig,“ so Reuter. Denn in einer Welt ohne Zinsen fehlt den Sparkassen die Grundlage für ihr Geschäftsmodell – der Preis für Geld. Und genauso wie ihren Kunden fehlt es auch ihnen an rentierlichen Anlagemöglichkeiten. Kunden parken Geld in Sichteinlagen, die zwar keinen Zinsertrag bringen, aber sicher sind. Das vergrößert den Einlagenüberhang der Sparkassen, die damit aber nicht wie früher arbeiten können:
- Das Zinsniveau im Kreditgeschäft ist so niedrig, so dass die Zinsmarge immer weiter schrumpft.
- Gleichzeitig wächst der Überhang, den die Sparkassen ihrerseits auch nur teuer bzw. nur zu höherem Risiko am Markt anlegen können. Denn die EZB hat nicht nur den Marktzins abgeschafft, sondern erwirbt zudem alle guten Anleihen am Markt selbst. Reuter: „Die Bilanzsumme der EZB im Euroraum hat sich seit 2014 in etwa verdreifacht! Und das mit Anleihekäufen ganz unterschiedlicher Bonitäten.“
- Ein Teil des Einlagenüberhangs wird daher bei anderen Kreditinstituten oder der Bundesbank eingelegt, dafür fallen aber Verwahrentgelte an.
- Mit der anhaltend flachen Zinsstruktur brechen Erträge aus der Fristentransformation zwischen Anlagen unterschiedlicher Laufzeiten weg.
„Der Virus, der uns mindestens genauso drückt wie der, gegen den es bereits eine Impfung gibt, ist also der Negativzins,“ resümierte Reuter. Denn unter den ungünstigen Zinsbedingungen könnten die Sparkassen mit dem großen Liquiditätsüberschuss schlicht nicht wie früher gut arbeiten. Ein Ende der Zinssituation sei angesichts der pandemiebedingten Verlängerungen der EZB-Politik aber nicht zu erwarten. „Auf Dauer wird es damit immer noch schwieriger, den Rückgang über andere Ertragsquellen und Kostensenkungen aufzufangen. Inzwischen sind deshalb immer mehr Sparkassen durch das Handeln der EZB gezwungen, selbst Verwahrentgelte zu erheben,“ so Reuter. „Zumindest im Neugeschäft wird es auf Dauer nicht möglich sein, auf Verwahrentgelte bei großen Summen zu verzichten. Sehr lange haben die Sparkassen alles getan um diesen Schritt zu vermeiden, widerspricht er doch komplett unserer eigentlichen Ausrichtung und Grundüberzeugung. Es schmerzt uns, dass wir unsere Kunden nicht weiter vor der EZB-Politik schützen können.“
Betriebsergebnis vor Bewertung rückläufig
2020 erzielten die bayerischen Sparkassen ein Betriebsergebnis vor Bewertungvon rund 1.609,4 Millionen Euro. Es liegt um 1,4 Prozent bzw. 23 Millionen Euro unter dem Vorjahresergebnis. Maßgeblich für diese Entwicklung war, dass der starke Rückgang des Zinsüberschusses (-101,7 Millionen Euro) auch durch eine Steigerung der Provisionsüberschüsse (+56,1 Millionen Euro) nicht kompensiert werden konnte. Auch die Sparmaßnahmen der Sparkassen konnten keinen Ausgleich schaffen: Gesunkene Personalkosten (‑29,5 Millionen Euro) können bei gestiegenen Sach- und sonstigem Aufwand nicht dagegenhalten. 2020 hatten die Sparkassen erhöhte Aufwände für Hygienemaßnahmen, Corona-Bestimmungen, die Umstellung auf Homeoffice sowie Wechselkonzepte zur Aufrechterhaltung der Dauerbetriebsbereitschaft.
Dementsprechend hat sich auch die Cost-Income-Ratio der bayerischen Sparkassen von 65,4 Prozent in 2019 auf 65,6 Prozent in 2020 leicht verschlechtert. Für jeden Euro Erlös mussten die bayerischen Sparkassen im vergangenen Jahr also fast 66 Cent einsetzen.
| 2010 | 2015 | 2018 | 2019 | 2020 |
Betriebsergebnis vor Bewertung (in Mio. €) | 1.958,3 | 1.815,3 | 1.671,3 | 1.632,7 | 1.609,4 |
Veränd. ggü. Vorjahr | | | -4,9 % | -2,3 % | -1,4 % |
Das operative Ergebnis der 64 bayerischen Sparkassen nimmt insgesamt und auch bei allen einzelnen bayerischen Sparkassen bereits seit Jahren ab. Bei den meisten Sparkassen deckt der Zinsüberschuss gerade den Verwaltungsaufwand, bei ca. einem Drittel der Institute liegt er bereits darunter. Permanente Effizienzsteigerungen, Kostenoptimierungsmaßnahmen und auch wachsende Erfolge im Kundengeschäft können das Betriebsergebnis von Jahr zu Jahr nicht auf dem alten Niveau halten. Vor dem Hintergrund der Verschärfung der Negativzins-Landschaft durch die Corona-Krise schreiben die Hochrechnungen diesen Trend auch für die kommenden Jahre fort. „Über alle Häuser betrachtet ist das Betriebsergebnis gerade noch zufriedenstellend,“ warnte Reuter.
Alle bayerischen Sparkassen haben 2020 konsequent ihre Anstrengungen im Kundengeschäft ausgeweitet, so dass sie mit dem guten Wachstum im Kundengeschäft ihren Provisionsüberschuss erneut steigern konnten (2020: +4,0 Prozent; 2019: +6,2 Prozent, 2018: +2,9 Prozent; 2017: +10 Prozent).
Gleichzeitig konnten sie die Zahl der Beschäftigten wie bereits in den Vorjahren weiter senken (2020: -2,2 Prozent 2019: -2,1 Prozent, 2018: ‑3,3 Prozent) indem sie konsequent Altersteilzeitprogramme, angepasste Arbeitszeitmodelle und die natürliche Fluktuation nutzten. So gelang es, den Personalaufwand um 1,4 Prozent abzubauen. „Mit diesen Gesamtpersonalkosten von rund 2 Milliarden Euro für 35.813 Beschäftigte könnte man übrigens gerade den Boni-Pool mancher Großbank in Deutschland füllen,“ erklärte Reuter. Mit dem Tarifabschluss in 2020 ist für die nächsten beiden Jahre eine moderate Entwicklung der Personalkosten zu erwarten. Dies fügt sich in die Gegensteuerungsmaßnahmen der Sparkassen ein, der Trend zur Senkung des Personalstands wird davon aber nicht berührt.
Reuter zeigte sich zuversichtlich, dass die bayerischen Sparkassen insgesamt auf ihrem weiteren Weg zur Ertragsstabilisierung auch 2021 erfolgreich sein können. Ansatzpunkte zur Kostensenkung seien weiterhin klassische Hebel wie der Personalaufwand als auch strukturelle Straffungen in den einzelnen Sparkassen wie auch in der Sparkassen-Finanzgruppe insgesamt. Er stellte aber auch klar: „Die Bankenaufsicht formuliert die Erwartung an uns, unser Geschäftsmodell rentabel aufzustellen, damit wir unserer ökonomischen Aufgabe, der regionalen Finanzierung der Volkswirtschaft, gerecht werden können. Dazu gehöre es auch, dass Leistungen eingeschränkt oder aber auch teurer werden könnten. Für uns bedeutet das, dass wir den eingeschlagenen Weg weitergehen müssen – wir werden nicht umhinkommen, weiter an unseren Preis-/Leistungsmodellen zu arbeiten und schmerzhafte Schritte zu prüfen bzw. letztlich zu vollziehen.“
Bewertungsergebnis/Jahresüberschuss
Unter dem Strich steht bei den bayerischen Sparkassen für das Geschäftsjahr 2020 ein Betriebsergebnis nach Bewertung von 868,1Millionen Euro (2019: 975,7 Millionen Euro). Nach den noch vorläufigen Berechnungen (Ende der Jahresabschlussprüfungen: 31.05.2021) wird nach Steuern am Ende ein Jahresüberschuss von 309,7 Millionen Euro (2019: 379,2 Millionen Euro) stehen. Reuter dazu: “Angesichts der sehr schwierigen Rahmenbedingungen sind wir zufrieden mit diesem Ergebnis. Ich gehe davon aus, dass wir es im Lauf dieses Jahres auch weiter stabilisieren können. Dennoch ist der Ergebnisrückgang dramatisch – wenn sich die Entwicklung ohne Veränderung der Rahmenbedingungen fortsetzt oder gar noch verschärft, sind wir von einem Krisenszenario nicht weit entfernt.“
Das Bewertungsergebnis im Kreditbereich ist zum zweiten Mal in Folge im negativen Bereich. Mit Blick auf mögliche Pandemie-bedingte Zahlungsschwierigkeiten einzelner Kunden sowie durch einen aufsichtlich anstehenden Methodenwechsel fällt die Kreditrisikovorsorge bei den bayerischen Sparkassen 2020 sogar deutlich höher aus als im Jahr 2019. Fast alle Institute haben wegen der unklaren Wertberichtigungssituation vorsorglich die Zuführung zur Pauschalwertberichtigung deutlich erhöht. Reuter dazu: „Es handelt sich dabei um Rückstellungen aus Vorsicht. Konkrete Kreditausfälle im größeren Umfang hatten wir aber bisher nicht. Ich bin verhalten optimistisch, dass das so bleibt. Schließlich sind wir nicht nur durch die Aufsicht, sondern auch durch eigene Vorsicht gehalten, bei Kreditvergaben sehr kritisch hinzusehen. Die Sparkassen kennen ihre mittelständischen Kunden gut, und spektakuläre große Fälle gehen an den Sparkassen ohnehin in aller Regel vorbei. Nach allen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte wird es aber nach der langen konjunkturell begünstigten Phase irgendwann auch ohne die Corona-Effekte Korrekturen geben.“
Die Corona-Betroffenheit der bayerischen Sparkassen im Kreditgeschäft ist auch angesichts der von ihnen finanzierten Branchen nicht sehr stark ausgeprägt: Nur 7,7 Prozent der Kredite der bayerischen Sparkassen sind an Unternehmen und Selbständige vergeben, die 2020 große bis sehr große Umsatzeinbußen hinnehmen mussten. Das sind vor allem Kunden aus dem Tourismus und Gastgewerbe, aus kreativen Berufen oder Sporteinrichtungen aber auch aus dem Maschinenbau und dem Transportwesen. Umgekehrt war ein mit 30 Prozent vergleichsweise großer Anteil der Firmenkreditkunden gar nicht von Umsatzeinbußen betroffen oder hat sein Geschäft während der Pandemie sogar ausbauen können.
Reuter resümierte: „Die Schäden aus der Pandemie in der Realwirtschaft sind nur zum Teil schon entstanden, ein Teil wird durch die staatliche Stützung im Moment noch verzögert. Bei manchen gehen bald die Reserven zu Neige, das wird die Insolvenzzahlen steigen lassen. Doch die Mehrzahl unserer Kunden hatte insgesamt eine gute Ausgangsposition bei Pandemiebeginn, was Ertragslage und Eigenkapitalbasis angeht – das macht sie ausdauernd. Und auch um die Sparkassen in Bayern mache ich mir wegen Corona-Belastungen keine Sorgen. Sie konnten in den vergangenen Jahren Eigenkapital aufbauen und können daher auch etwaige Folgen aus Insolvenzen von Kreditkunden verkraften. Es zeigt sich jetzt, dass es absolut richtig war, in den vergangenen Jahren trotz aller Belastungen Eigenkapital aufzubauen.“