25.03.2021 | Bayerische Sparkassen: Nachhaltig für den Freistaat

Nachhaltiges Wirtschaften, der Green Deal und die Bankenregulierung

Prof. Dr. Reuter auf der Jahrespressekonferenz der bayerischen Sparkassen

Sparkassen verstehen sich schon durch ihren öffentlichen Auftrag als gemeinwohlorientierte regionale Kreditinstitute als nachhaltig – inzwischen seit 200 Jahren. Und gerade in kritischen Zeiten wie der Negativzinsphase oder in der aktuellen Pandemie-Situation zeigen Sparkassen wieder ihre regionale Stärke. Sie stehen als Teil des klassischen regionalen Wirtschafts- und Geldkreislaufs in den Regionen für Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft und sorgen dafür, dass die Einlagen aus der Region genau dort auch wieder als Kredite eingesetzt werden. Dabei betreiben sie keine Gewinnmaximierung – aus ihren Überschüssen finanzieren sie den eigenen Geschäftsbetrieb und stärken ihr Eigenkapital. So bleiben sie stabile Partner auch in wirtschaftlich engeren Zeiten.

Die bayerischen Sparkassen spielen dabei auch eine dauerhafte Rolle als bedeutende Unternehmer und Steuerzahler in ihren Geschäftsgebieten. Mit 35.813 Beschäftigten, gehören sie zu den vier größten Arbeitgebern in Bayern ‑ nicht nur in den Ballungsgebieten, sondern verteilt über den ganzen Freistaat. Mit 2.536 Auszubildenden und Trainees bzw. einer Ausbildungsquote von 7 Prozent zeigen sie dauerhaft Flagge als der größte Ausbilder in Bayern.

Auf ihr Jahresergebnis führen die bayerischen Sparkassen für 2020 441,4 Millionen Euro an gewinnabhängigen Steuern ab (bereits vom Jahresüberschuss abgezogen). 198 Millionen Euro davon sind Gewerbesteuern, die erneut auch die bayerischen Kommunen stärken – das ist mehr als eine halbe Million pro Tag. In einer Größenordnung von jährlich über 200 Millionen Euro bezahlen außerdem die 35.813 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der bayerischen Sparkassen Lohnsteuern. Diese kommen – zusätzlich zur entfalteten Kaufkraft – ebenfalls anteilig ihren Wohnort-Kommunen in ganz Bayern zugute, es gibt keine steueroptimierte Standortwahl für ein Ballungsgebiet.

Als Kreditinstitute mit einem öffentlichen Auftrag spielen die Sparkassen auch eine besondere Rolle als nachhaltige Förderer der Gesellschaft im Freistaat: Neben Sponsoring­ und Spenden haben die 64 bayerischen Sparkassen und der Sparkassenverband 2020 insgesamt 115 Stiftungen unterhalten, mit denen sie soziale Zwecke, Umwelt, Kultur und Sport in ihren Geschäfts­gebieten fördern. Insgesamt haben die Sparkassen 2020 fast 40 Millionen Euro für gemeinnützige Zwecke und Einrichtungen bereitgestellt – das ist mehr als eine Dreiviertelmillion pro Woche, die gemeinnützige Empfänger in ganz Bayern erreicht. Die Sparkassen stützen so die soziale Infrastruktur vor Ort. Davon profitieren alle im Geschäftsgebiet – Kunden genauso wie Nichtkunden der Sparkassen.

Seit 2020 engagieren sich die Sparkassen ganz explizit beim ökologisch nachhaltigen Umbau Europas. Auch die bayerischen Sparkassen und der Sparkassenverband Bayern unterstützen die „Selbstverpflichtung für klimafreundliches und nachhaltiges Wirtschaften“ der Sparkassen-Finanzgruppe. Sie basiert auf den Zielen des Pariser Klimaabkommens und den „Principles for Responsible Banking“ der Finanzinitiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Die Sparkassenorganisation bekennt sich damit zunächst zu dem Ziel, den eigenen Geschäftsbetrieb bis spätestens 2035 CO2-neutral zu gestalten.

Vor allem unterstützen die bayerischen Sparkassen den notwendigen Strukturwandel, indem sie die ökologische Transformation der bayerischen Wirtschaft finanzieren. Denn in den kommenden Jahren muss erheblich mehr Kapital in nachhaltige Investitionen fließen als bisher, damit die ehrgeizigen Ziele des Green Deals der EU erreicht werden können. Dazu gehört Klimaneutralität bis 2050. Der notwendige Umbau zu einer klimafreundlichen und nachhaltigen Realwirtschaft erfordert enorme Investitionen in die klimaschonende Anpassung der Produktionsprozesse und Produkte auch bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, die Firmenkunden der bayerischen Sparkassen sind. Sie sorgen für die passende Finanzierung und setzen weitere Anreize für nachhaltig ausgerichtete Investitionen, indem sie entsprechende öffentliche Förderprogramme der staatlichen Förderbanken LfA und KfW einbinden.

Schon heute unterstützen die Sparkassen ihre Kunden auch bei nachhaltigen Kapitalanlagen. Immer mehr Beratungsgespräche zeigen, dass Kunden auch auf diesem Weg ihren Beitrag leisten wollen. Die Sparkassen bieten deshalb in der Wertpapierberatung systematisch nachhaltige Investments an. Unter dem Motto „Investoren werden zu Sinnvestoren“ fördert sie die nachhaltige Vermögensbildung – in zweierlei Hinsicht: Im Eigeninteresse der persönlichen Absicherung und dabei gleichzeitig ökologisch und gesellschaftlich.

Mit dem „Action Plan on Sustainable Finance” hatte die EU-Kommission bereits 2018 eine umfangreiche Gesetzesinitiative gestartet, mit der die Nachhaltigkeit im Finanzwesen und in der Unternehmensführung eingefordert werden soll. Zentrale Punkte der europäischen Gesetzgebungsinitiative sind dabei eine verbindliche Nachhaltigkeits-Taxonomie, Standards für Grüne Anleihen und die Weiterentwicklung der Klimaberichterstattung von Unternehmen. Der Plan nimmt derzeit immer konkretere Gestalt an, Anfang März ist z. B. die europäische Offenlegungsverordnung als einer von vielen Bausteinen in Kraft getreten. Viele Unternehmen und auch ihre Kreditinstitute stehen damit im Moment vor großen Herausforderungen zur detaillierten Dokumentation. Prof. Dr. Ulrich Reuter, Präsident des Sparkassenverbands Bayern, forderte deshalb heute in München: „Wir müssen bald eine klare Grenze ziehen zwischen notwendiger Standardisierung auf der einen und Überregulierung auf der anderen Seite.Im Umbau der gesamten Volkswirtschaft Europas zu mehr Nachhaltigkeit spielen die Finanzinstitute letztlich nur eine mittelbare, wenngleich wichtige Rolle. Damit sie auch in Zukunft ihre Leistungsfähigkeit – gerade in der durch die EZB geschaffenen Negativzinsumgebung – erhalten, dürfen sie und ihre Kunden jetzt nicht in den Kampf mit dem nächsten ‚Bürokratie-Monster‘ geschickt werden. Für Anleger sind zuletzt durch MifiD II Dokumentations-Orgien ausgelöst worden, die unsere Kunden als Be- statt Entlastung empfunden haben. Hier noch eine Schippe – wohl eher eine Tonne – Papier draufzulegen, ist nicht ökologisch und schreckt potenzielle Anleger für nachhaltige Investments eher ab.“

In Ausarbeitung ist im Moment außerdem der Einsatz detaillierter regulatorischer Vorgaben an die Kreditprüfung, um so nachhaltige Investitionen zu fördern. Denkbar wäre die Verknüpfung der Kreditvergabe an Kriterien wie z. B. CO2-Ausstoß, Recyclinganteil in der Produktion oder Abfallreduktion. Präsident Reuter sieht hier die Gefahr einer kontraproduktiven Wirkung: „Die Unternehmensfinanzierung kann so verlangsamt oder gar beschränkt werden, ohne einen substanziellen Beitrag zur Erreichung von Klimazielen zu leisten.“

Mit Blick auf Kapazitäten und Budgets bereiten auch die Umsetzungsvielfalt und kurze Umsetzungsfristen den regionalen Sparkassen Sorge. Denn zu wenig Differenzierungen nach Risiko- und Größenordnung der einzelnen Institute führen beim Aufbau der neuen internen Systeme zu unverhältnismäßig hohen Belastungen der kleinen Häuser. Regionalinstitute wie die Sparkassen müssen sich in weiten Teilen genauso wie Großbanken nach den neuen Standards ausrichten und ihre Geschäftsprozesse anpassen. „Den Mangel an Verhältnismäßigkeit kennen wir schon aus der Bankenregulierung. Die Last des Umbaus darf jetzt nicht wieder auf der untersten Ebene der Finanzwirtschaft abgeladen werden. Denn wie bei der Finanzkrise gehören die Sparkassen erneut nicht zu denjenigen, die kurzfristige, gesellschaftsschädigende Entwicklungen vorangetrieben haben. Es wäre also mehr als nur angemessen, ihre Belastung aus der Umsetzung der neuen Regelwerke zu relativieren und zeitlich zu strecken.“

 

Ausblick

Mit Blick auf die Zukunft war es Reuter zunächst ein persönlichesAnliegen, an das zu erinnern, was Sparkassen ausmacht und warum sie so bedeutsam für die Bayern und ihren Mittelstand sind: „Es scheint in Vergessenheit geraten zu sein, wie besonders unsere Wirtschafts- und Finanzstruktur in Deutschland ist. Wir haben einen beispiellos vielfältigen Mittelstand, äußerst zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen, die gerade deshalb wendig und leistungsfähig sind. Andernorts in Europa gibt es so etwas schon lange nicht mehr, industriell orientierte Großunternehmen haben die Marktanteile von vielen Kleinen übernommen. Für diese sind wohl internationale Großbanken, die aus einer fernen Zentrale Entscheidungen verkünden, die richtigen Ansprechpartner. Der deutsche Mittelstand aber, der sich überall im Land verteilt, braucht lokale und regionale Kreditinstitute, die er direkt und unkompliziert ansprechen kann und die ihn und die Marktsituation kennen und deshalb kompetent passgenaue Finanzierungen ausarbeiten – auch wenn es „nur“ um einen neuen LKW geht. Die Mittel dazu kommen dabei aus einem geschlossenen regionalen Geldkreislauf, denn die 64 bayerischen Sparkassen verwenden jeweils die Einlagen der Kunden aus ihrem regionalen Geschäftsgebiet um damit die Kredite vor Ort zu bestücken. Einleger können absolut sicher sein, dass ihr Geld nicht für undurchsichtige Geschäfte etwa mit indischen Großkonzernen verwendet wird. Und sie können darüber hinaus sicher sein, dass ihre Sparkasse vor Ort auch der Gesellschaft vor Ort etwas aus dem Geschäftserfolg in Form von Spenden und lokalen Sponsorings zurückgibt. Denn sie gehört gewissermaßen der örtlichen Kommune und wird auch von ihr überwacht.“

Vor diesem Hintergrund mahnte Reuter auch generell mehr Maß in der Bankenregulierung an. Das risikoarme Kreditgeschäft der Sparkassen als Regionalbanken müsse immer noch an vielen Stellen stärker von Regulierungsmaßnahmen entlastet werden um den kleineren Kreditinstituten die Luft zum Atmen zu lassen. Verhältnismäßigkeit sei hier bei Weitem noch nicht erreicht, warnte Reuter: „Ich hoffe, dass die deutsche Politik die Gefahr erkennt.“

Der Atem sei den Sparkassen ohnehin angesichts der Zinssituationin Europa gestockt: Seit 2009 Niedrigzinsen, 2012 wurde ein Nullzins daraus und seit 2014 hat die EZB Negativzinsen ausgerufen, die sie frühestens 2024 erhöhen wird. Selbst kleine Renditeerhöhungen werden sofort mit neuen Ankäufen beantwortet. „Das ist ein Fluch für Sparer und genauso für die Sparkassen, von denen einige sehr einlagenstark und damit schwer betroffen sind.“  Reuter forderte als ersten Schritt zumindest deutliche Mindestreserve-Erleichterungen bei der EZB für Regionalinstitute. Eine klare Ausweitung der Freibeträge würde schon ein wenig Druck herausnehmen.Doch „die ungesunde Zinspolitik der EZB schlägt immer mehr direkt auf die Bankkunden durch. Und es ist auch offener Wille der EZB, dass die Branche die beabsichtigten Wirkungen der Geldpolitik durchleitet, um die gewünschten Inflationsimpulse auszulösen. Sogar der IWF feiert die EZB-Negativzinspolitik als ‚vollen Erfolg‘ und sieht sogar noch Spielraum für weitere Zinssenkungen. Die Politik sei effektiv gewesen, was die geldpolitische Transmission betrifft, denn Bankkunden seien nicht in großem Stil in Bargeld ausgewichen.“ Reuter schloss verärgert: „Die Sparkassen haben die Negativzinspolitik wirklich lange abgepuffert – haben ihre eigenen Effizienzreserven gehoben, Kosten reduziert und den Vertrieb angekurbelt. Es wird aber dennoch mit der Zeit unausweichlich, die Wirkungen tatsächlich im Sinne der ursprünglichen Absicht der EZB durchzuleiten bis zu den Endkunden. Ich rechne damit, dass es deshalb schon bald kein Kreditinstitut mehr geben kann, das neues Geld annimmt, ohne ein Verwahrentgelt dafür erheben zu müssen.“

Besonderes Augenmerk legte Reuter weiter auf die laufenden Verhandlungen zu einer Europäischen Einlagensicherung, die für das Jahr 2021 als letztes Element der Bankenunion auf der Brüsseler Agenda stehen. Die Sparkassen lehnen die Initiative der EU-Kommission für eine zentralisierte Einlagensicherung (EDIS – European Deposit Insurance Scheme) seit dem ersten Entwurf in 2015 ab, weil sie Fehlanreize setzt und so potenzielle Lasten aus einzelnen Mitgliedsländern auf die gemeinschaftliche Ebene gehoben werden dürften. Den nationalen Sicherungssystemen würde damit ihre risikomindernde und stabilisierende Wirkung auf die Eigenverantwortung genommen. Auch dem bereits 2015 nach der Europäischen Einlagensicherungsrichtlinie bestätigten, präventiven freiwilligen Institutssicherungssystem der Sparkassen würde die stabilisierende Basis entzogen, bemängelte Reuter. Er forderte: „Auch, wenn jetzt neue Pläne für ein sogenanntes Hybrid-Modell auf dem Tisch liegen und neue zusätzliche Finanzierungsmodelle für den gemeinschaftlichen Sicherungstopf diskutiert werden – das heilt nicht den grundsätzlichen Geburtsfehler: Man negiert, dass Risiko und Haftung zusammengehören! Wir meinen: EDIS würde die Lage destabilisieren. Die Bankenunion ist bereits seit 2015 vollendet und so soll es auch bleiben. Unsere Kunden brauchen für die Sicherung ihrer Einlagen keine europaweite Absicherung. Sinnvoll kann EDIS allenfalls für Banken mit internationalen Geschäftsmodellen sein. Wir fordern deshalb, dass die Kommission endlich einen neuen Vorschlag vorlegt, der zumindest subsidiär ausgleichende Institutssicherungssysteme von der Zentralisierung ausklammert. Es wäre ein großer Schritt, um mit dem Jahr 2021 die Bankenunion abzuschließen ohne dabei Porzellan endgültig zu zerschlagen.“

Zum Schluss resümierte Reuter nochmals, 2020 sei ein widerspenstiges Jahr gewesen, in dem aber die 64 bayerischen Sparkassen gezeigt haben, dass sie auch unter widrigen Bedingungen voll einsatzbereit für ihre Kunden sind. Auch der Corona-Stresstest von BaFin und Bundesbank im Sommer 2020 hat gezeigt, dass kleine und mittlere Kreditinstitute wie die Sparkassen weitgehend stressresistent sind. „Mit diesem Bewusstsein gehen die bayerischen Sparkassen jetzt kraftvoll in die kommenden Monate,“ so Reuter. Er rechne nun mit einer Belebung der Wirtschaft ab der Jahresmitte und gehe davon aus, „dass die Sparkassen in Bayern im angelaufenen Jahr ihre Ergebnisse stabilisieren. Der Rückgang des Betriebsergebnisses wird sich meiner Überzeugung nach verlangsamen, weil viele Maßnahmen greifen. Das heißt, die Sparkassen sind und bleiben starke Partner für ihre Kunden in ganz Bayern.“