Angesichts der komplexen und mit vielen Unsicherheiten behafteten Situation mit Blick auf Zinsentwicklung, Inflationsverlauf und die konjunkturelle Entwicklung können zwangsläufig auch Prognosen über das Ergebnis der Sparkassen im weiteren Jahresverlauf nur sehr vorläufig getroffen werden. Das operative Geschäft ist 2022 für die bayerischen Sparkassen bislang sehr zufriedenstellend verlaufen, der Zinsüberschuss und das Bewertungsergebnis hängen jedoch stark von den Entwicklungen im weiteren Jahresverlauf ab.
Mit der jetzt eingeläuteten Zinswende werden Einlagen für die Sparkassen auf Sicht wieder teurer. Gleichzeitig wird der Zinsertrag nicht im gleichen Maß steigen, denn viele Engagements der Sparkassen verlieren an Wert: Kredite, die in den vergangenen Jahren zu sehr günstigen Konditionen vergeben wurden, werden die Risikokosten der Sparkassen bereits in absehbarer Zeit belasten. Auch aus den Anlagen der Sparkassen, die regelmäßig aufgrund des Einlagenüberhangs aber auch aufgrund aufsichtsrechtlicher Verpflichtungen getätigt wurden, entstehen Belastungen: Z. B. null- oder negativverzinste Bundesanleihen bleiben im Bestand, sind aber deutlich abgewertet.
Durchschnittlich sind lediglich 82 Prozent der Kundeneinlagen in regionalem Kreditgeschäft gebunden. Demzufolge investieren Sparkassen seit jeher auch Teile ihrer Refinanzierungsmittel am Kapitalmarkt, zum größten Teil in Anleihen und Pfandbriefe hoher Bonität. Der Bilanzsummen-Anteil der Anlagen der bayerischen Sparkassen in Aktien und anderen nicht festverzinslichen Wertpapieren ist dabei traditionell niedrig.
Die Sparkassen erwarten derzeit, dass ihr Zinsertrag stärker sinkt als der Zinsaufwand und prognostizieren so einen weiteren Rückgang des Zinsüberschusses für das Gesamtjahr 2022. Das Provisionsergebnis prognostizieren die bayerischen Sparkassen für 2022 als gleichbleibend zu 2021, den Verwaltungsaufwand leicht sinkend. Insgesamt dürfte das Betriebsergebnis vor Bewertung auf dem Niveau von 2021 liegen.
Im Verlauf der weiteren Entwicklung müssen die Sparkassen jetzt außerdem – zum ersten Mal seit 10 Jahren – wieder mit Kreditausfällen rechnen. Die Risikovorsorge Kredit und auch das Bewertungsergebnis für das Wertpapiergeschäft dürften sich daher gegenüber 2021 schlechter entwickeln, beide Kennzahlen sind wegen ihrer Abhängigkeit von der Konjunktur- bzw. Kapitalmarktentwicklung jedoch mit Unsicherheiten behaftet. Reuter: „Größeren Korrekturbedarf im Kreditportfolio sehen wir derzeit nicht; die Zahl der Einzelfälle dürfte indes wieder steigen. Wir machen uns Gedanken über eine mögliche drohende Rezession. Vor dem Hintergrund der aktuellen Produktions- und Beschaffungsschwierigkeiten werden wir daher bei den Wertberichtigungen noch vorsichtiger planen als in den beiden Pandemiejahren, die aber unerwartet wenig Auswirkungen hatten. Jetzt wird sich zeigen, wie stark sich z. B. möglicherweise ausbleibende Gaslieferungen aus Russland auf unsere Firmenkunden und die Ausfallrisiken im Kreditgeschäft auswirken.“
Mit dem aktuellen Zinsanstieg wird durch die Rechnungslegungsvorschriften ein Bewertungsbedarf bei den Wertpapieranlagen der Sparkassen ausgelöst: Der Zinsanstieg seit dem Jahreswechsel dürfte bereits zum Teil merkliche Auswirkungen auf den Abschreibungsbedarf der im eigenen Depot gehaltenen Wertpapiere der Sparkassen zum Stichtag 30. Juni haben. Reuter erläuterte: „Damit scheint die Lage der Sparkassen im Wertpapierbereich im Einzelfall schlechter als sie tatsächlich ist, diese Abschreibungen sind in der Praxis jedoch nur vorübergehend. Spätestens bei Fälligkeit werden die Wertpapiere wieder mit dem Nominalbetrag eingelöst. Die Wertminderung wird also im Lauf der Zeit abnehmen. Es handelt sich somit nur um temporäre Buchwertkorrekturen. Der Zinsanstieg an sich ist gut für das Geschäftsmodell der Sparkassen und wird absehbar auch zu einer Stabilisierung der Ertragslage führen.“ Ein positiver Zins lässt mittelfristig wieder zu, dass durch Fristentransformation und die Anlage von Eigenmitteln Erträge generiert werden.
Die bayerischen Sparkassen haben in den zurückliegenden Jahren mit Kosten- und Effizienzprogrammen auf die Herausforderungen der Nullzinsen reagiert und haben parallel ihre Leistungsfähigkeit in der Flüchtlings- und in der Corona-Krise bewiesen. Reuter: „Damit gehen sie gestärkt in eine mögliche nächste Krisenphase. Sie verfügen über genügend Eigenkapital-Substanz, um ihre Aufgaben verlässlich zu leisten – die bayerischen Sparkassen sind stabil. Derzeit – per heute – sieht es noch danach aus, dass wir insgesamt mittelfristig weniger unter der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung leiden, als wir von der Zinsentwicklung profitieren werden,“ zeigte sich Reuter mit Blick auf die bevorstehenden Monate optimistisch.