26.07.2022 | Bayerische Sparkassen im 1. Halbjahr 2022

Kreditinstitute des Vertrauens bei Zins- und Zeitenwende

Die bayerischen Sparkassen sind zufrieden mit ihren Geschäften im ersten Halbjahr 2022. Die bei den kommunalen Kreditinstituten hinterlegten Ein­lagen betragen knapp 193 Milliarden Euro, das Kreditvolumen konnte auf knapp 166 Milliarden Euro ausgebaut werden. Im Kreditneugeschäft mit Firmenkunden und Privatpersonen sprachen den Sparkassen deutlich mehr Kunden ihr Vertrauen aus als im gleichen Vorjahreszeitraum. Auch das pri­vate und gewerbliche Immobiliengeschäft der bayerischen Sparkassen lief in den ersten Monaten weiter auf Hochtouren. Prof. Dr. Ulrich Reuter, Präsident des Sparkassenverbands Bayern be­tonte dazu heute in München: „In Krisenzeiten kommt es vor allem auf das Vertrauen an. Das war in der Finanzkrise so und auch in der Pande­mie – genauso ist es jetzt in der Energie-Krise und der Inflation. Die Men­schen wissen, dass die Sparkassen stabil sind und mit Krisen umgehen können.“

Durch den seit Jahresbeginn deutlich spürbaren Beginn der Zinswende auf den Märkten kehrt wieder die Normalität in die Zinslandschaft zurück, die die Sparkassen seit Jahren angemahnt haben. Dass sie begleitet wird von Krieg, Inflation und Rezessionserwartungen drückt jedoch die Freude über die schrittweise Rückkehr in ein gesundes Zinsgefüge. Perspektivisch kommt den Sparkassen auch die aktuelle Zinsentscheidung der EZB zugute, da sich ihre Margenaussichten verbessern. „Entscheidend ist aber, dass die EZB auf diesem Pfad bleibt, auch wenn im Moment das Risiko einer Rezession wegen reduzierter Gaslieferungen im Raum steht,“ warnte Reuter.

Mit der Zinswende kommen aber für eine Übergangszeit Herausforderungen auf die Sparkassen zu, denn die Konditionen ihrer Engagements und Anlagen mit unterschiedlicher Fristigkeit müssen schrittweise wieder in Einklang ge­bracht werden, damit die steigenden Zinsen nicht zur Belastung werden. „Hier hilft uns aber die große betriebswirtschaftliche Kraft und Resilienz, mit der wir auch die vielen Jahre der Null- und Negativzinsen durchstanden haben,“ so Reuter. „So werden wir auch die Folgewirkungen aus Energie-Krise und Inflation bewältigen.“

Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr 2022

Kredit- und Einlagengeschäft insgesamt mehr lesen schließen

Die 61 bayerischen Sparkassen konnten ihr Kreditvolumen im ersten Halbjahr um insgesamt 5,7 Milliarden Euro (+3,6 Prozent seit Jahres­be­ginn) auf 165,6 Milliarden Euro ausweiten. Mehr als die Hälfte davon (54 Pro­zent) sind Finanzierungen für Unternehmen und Selbstständige.

Der Einlagenbestand der bayerischen Sparkassen ist in den ersten sechs Monaten des Jahres nach mehr als 10 Jahren Niedrigzinsen erstmals wieder leicht gesunken (-1 Prozent) und beträgt jetzt 192,6 Milliarden Euro. Während Sichteinlagen und Spareinlagen von nahezu allen Kundengruppen abgebaut werden, sind gleichzeitig Zuflüsse bei Termingeldern (+28,3 Prozent) v. a. von Unternehmen und öffentlichen Haushalten zu verzeichnen. Der Anteil der täglich fälligen Verbindlichkeiten an den Gesamteinlagen beträgt bei den bayerischen Sparkassen aber noch immer fast 80 Prozent.

Der Einlagenüberhang der Sparkassen verändert sich nur wenig, die Überschuss-Mittel können jetzt aber zunehmend wieder leicht rentierlich eingesetzt werden und belasten die Sparkassen nicht mehr wie in den Vorjahren. Perspektivisch öffnet sich jetzt mit den jüngsten Zinsentscheidungen der Europäischen Zentralbank das Fenster für steigende Zinsen.

Das private und gewerbliche Immobiliengeschäft der bayerischen Sparkassen läuft noch immer auf Hochtouren. In den ersten sechs Monaten 2022 haben sie 7,7 Milliarden Euro an neuen Darlehen im privaten Wohnungsbau zugesagt. Das sind noch einmal 600 Millionen Euro bzw. 8,5 Prozent mehr als im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres. Das Kreditvolumen im privaten Wohnungsbaukreditgeschäft (das sind zwei Drittel des Gesamtbestands an Krediten für den Wohnungsbau) nahm trotz schnell ansteigender Bauzinsen um 3,1 Prozent zu und betrug zum Halbjahr 62,4 Milliarden Euro. „Das Tempo, mit dem die Zinswende eintrat und die Zinsen für Baufinanzierungen auf über 3 Prozent anzogen, war enorm. So etwas haben wir alle noch nicht erlebt,“ erklärte Roland Schmautz, Vizepräsident des Sparkassenverbands Bayern. Ererläuterte dazu: „Viele Bauwillige haben gerade noch die letzte Phase der im Langzeitvergleich noch immer niedrigen Bauzinsen mitgenommen, die Dynamik wird aber inzwischen durch Lieferengpässe und Preissteigerungen beim Bau gebremst. Ein junges Paar etwa, das sich vor einem Jahr nur vorgenommen hatte zu bauen, aber noch keine Finanzierung geklärt und feste Aufträge inkl. Materialfestschreibung etc. vergeben hat, sieht sich jetzt bei unverändert hohen Immobilienpreisen mehr als verdoppelten Kreditzinsen und 25 Prozent höheren Baukosten gegenüber. Das bremst leider jetzt so manchen Traum.“

Noch stärker als im Privatbereich zeigte sich im ersten Halbjahr die Dynamik in der gewerblichen Wohnungsbaufinanzierung: Hier konnten die bayerischen Sparkassen im ersten Halbjahr trotz Ende des Immobilienbooms neue Darlehen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro zusagen, eine Steigerung gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum um 23 Prozent. Für den Bausektor rechnet Schmautz allerdings mittelfristig mit deutlichen Rückgängen infolge der Zinswende und der jüngsten Zinsentscheidung der EZB.

Unternehmenskunden: Weiter steigende Kreditnachfrage mehr lesen schließen

Der Kreditbestand der Unternehmenskunden wuchs in den ersten sechs Monaten 2022 um 4 Prozent (3,4 Milliarden Euro) auf 89,3 Milliarden Euro an. Das Kreditneugeschäft mit Firmenkunden nimmt im Vergleichszeitraum seit Jahren zunehmend um 8 bis 9 Mrd. Euro jährlich zu und steigt jetzt nach einem im Vergleich zum Corona-bedingten Rekordjahr 2020 schwächeren 2021 sogar auf ein neues Rekordniveau von 11 Milliarden Euro (+21 Prozent) an. Schmautz vermutete: „Diese besonders starke Kreditnachfrage im ersten Halbjahr dürfte allerdings auch aus Vorzieheffekten in Erwartung steigender Zinsen resultieren. Wir müssen damit rechnen, dass die Investitionsbereitschaft der Unternehmen in der kommenden Zeit angesichts steigender Zinsen und rohstoffbedingten Produktionsengpässen eher abnimmt.“

Der Gesamtkreditbestand enthält auch 15.060 Corona-Förderdarlehen mit einem Gesamtvolumen von 3,2 Milliarden Euro (seit Förderstart März 2020). Die Antragsdynamik hatte in den vergangenen Monaten allerdings stark nachgelassen. Die letzten Hilfsmittel-Programme sind zum 30.06.2022 ausgelaufen. 2022 wurden dann auch lediglich 306,9 Millionen Euro zu 1.075 Anträgen aus staatlichen Förderpro­grammen zur Corona-Hilfe bewilligt (1. Hj. 2021: 419,6 Millionen Euro). Der größte Teil der staatlichen Förderkredite fließt damit nicht mehr in Corona-Hilfsprogram­me, sondern in die Bereiche Digitalisierung, Wachstum und Nachhaltigkeit. Aktuell führen viele Sparkassen gemeinsam mit Fördermittelexperten aktive „Nachhaltigkeitsgespräche“ mit ihren Firmenkunden, in denen Möglichkeiten zur Förderung von Maßnahmen im Rahmen der ökologischen Transformation der Wirtschaft ausgelotet werden, wie z.B. Umrüstung des Maschinenparks oder die Umstellung auf Elektromobilität. Ukraine-Hilfen(UBR) werden bei den bayerischen Sparkassen nur sehr selten nachgefragt, da nur unmittelbar betroffene Unternehmen, die z.B. Produktionsstandorte nicht nutzen können, antragsberechtigt sind.

Auch mittelbar beobachten die Sparkassen bei ihren mittleren und größeren Unternehmenskunden derzeit keine spezifischen und direkten Auswirkungen des Angriffskriegs in der Ukraine. Lieferengpässe und steigende Produktionskosten – nicht nur infolge des Kriegs – spielen aber bei allen gewerblichen Kunden eine große Rolle. Steigende Energie- und Rohstoffpreise sowie Personalmangel erfordern, dass Lieferketten und Ausweichmöglichkeiten überprüft werden. Perspektivisch steht die Frage im Raum, wie weit die Preissteigerungen überhaupt weitergegeben werden können. In der Breite sind die Firmenkunden der bayerischen Sparkassen aber stabil und verfügen über ausreichende Liquiditäts-Sicherheitspolster. Erst mit einer deutlichen konjunkturellen Verschlechterung würden größere Herausforderungen auf die mittelständischen Kunden der bayerischen Sparkassen zukommen.

Privatkunden 2022: Ausbau Kreditvolumen und erstmals Abbau von Sichteinlagen mehr lesen schließen

Auch die Privatkunden bewiesen im ersten Halbjahr wieder großes Vertrauen zu ihren Sparkassen. Sie nahmen wieder fast so viele Kredite in Anspruch wie im entsprechenden Zeitraum der beiden Vorjahre, in denen die Nachfrage trotz Pandemie deutlich gewachsen war: Der Kreditbestand von Privatpersonen wuchs um 2,9 Prozent auf 68,3 Milliarden Euro. Auch die neuen Darlehens­zusagen an Private lagen auf hohem Niveau (+8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr), wenn auch das Wachs­tum deutlich unter dem der beiden ersten Corona-Jahre liegt. Treiber des Wachstums sind aber nach wie vor Finanzie­rungen rund um den Kauf oder die Sanierung von Wohneigentum(+8,5 Prozent). Schmautz gab zu bedenken: „Wir müssen uns aber demnächst darauf einstellen, dass die Privatkunden, von denen manche um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes bangen und von denen viele mit großer Unsicherheit dem kommenden Winter entgegensehen, in ihrer Kreditnachfrage eher abwarten werden.“

Daneben reduzierten die privaten Kunden ihre Einlagen bei den bayerischen Sparkassen in den ersten sechs Monaten 2022 geringfügig um 307 Millionen auf 150,3 Milliarden Euro. Aufgelöst wurden v. a. Spareinlagen, die z. T. allerdings wieder in Wertpapierkäufe investiert wurden. Nach dem Ende der Corona-Beschränkungen flossen viele während der Lockdowns angewachsene Einlagen auch wieder in bisher beschränkte Konsummöglichkeiten. Schmautz rechnet bei der auch absehbar hohen Inflation mit weiteren Abflüssen: „Höhere Energiepreise und Lebenshaltungskosten werden manche Kunden dazu bringen, nicht nur weniger zu sparen, sondern sogar ihre Ersparnisse einzusetzen.“

Der Wertpapierumsatz der bayeri­schen Sparkassen ist seit Jahresbeginn um mehr als 9 Prozent gesunken, denn die Kunden verkauften weniger Papiere als sie neu ins Depot nahmen. Der Nettoabsatz ist daher in den ersten sechs Monaten um +40 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro gestiegen, die Kunden haben also deutlich mehr Wertpapiere – v. a. Investmentfonds und Aktien, und wieder deutlich mehr festverzinsliche Wertpapiere – ge- als verkauft.

Auch die Nachfrage nach Wertpapiersparplänen, die bereits mit geringen monatlichen Beträgen bespart werden können, bleibt beständig. Schmautz dazu: „Wir sind froh über diese Entwicklung. Das weiter zunehmende Engagement unserer Kunden am Kapitalmarkt ist Ausdruck eines steigenden Rendi­tebewusstseins. Denn selbst steigende Einlagenzinsen werden bei der hohen Inflation keinen wirksamen Vermögensaufbau erlauben. Das ist für viele der richtige Weg zum Vermögensaufbau, ob direkt über Aktien oder eben über Investmentfonds und entsprechende Sparpläne. Deshalb muss die Politik die Rahmenbedingungen jetzt so setzen, dass dieser Trend verstärkt wird: Der Erwerb von Aktien und Wertpapieren muss in Deutschland über Anreize noch attraktiver gestaltet werden, damit sich Unternehmen in der Transformation über öffentliche Mittel hinaus schneller mit Kapital ausstatten können, aber vor allem damit die breite Bevölkerung mittel- bis langfristig Mittel für die Altersvorsorge aufbauen kann. Dabei spielen die Sparkassen als Hausbanken vor Ort eine wichtige Rolle.“

Seit Ende Februar rückt eine neue private Kundengruppe massiv in die Aufmerksamkeit der bayerischen Sparkassen. Bis Anfang Juli eröffneten sie über 38.000 Girokonten für ukrainische Kriegsgeflüchtete, die so unmittelbar am Zahlungsverkehr teilnehmen können.  Mit dem 24. Mai startete außerdem das dreimonatige Umtauschprogramm für die ukrainische Hrywnja, das allerdings nur verhalten genutzt wird. Schmautz: „Wir integrieren die ukrainischen Geflüchteten schnellstmöglich und eröffnen ihnen als Neukunden viele leichte Wege zur Sparkasse – online und per Sparkassen-App sind wir auch auf Englisch und Ukrainisch erreichbar.“

Rentabilität der bayerischen Sparkassen 2022 mehr lesen schließen

Angesichts der komplexen und mit vielen Unsicherheiten behafteten Situation mit Blick auf Zinsentwicklung, Inflationsverlauf und die konjunkturelle Entwicklung können zwangsläufig auch Prognosen über das Ergebnis der Sparkassen im weiteren Jahresverlauf nur sehr vorläufig getroffen werden. Das operative Geschäft ist 2022 für die bayerischen Sparkassen bislang sehr zufriedenstellend verlaufen, der Zinsüberschuss und das Bewertungsergebnis hängen jedoch stark von den Entwicklungen im weiteren Jahresverlauf ab.

Mit der jetzt eingeläuteten Zinswende werden Einlagen für die Sparkassen auf Sicht wieder teurer. Gleichzeitig wird der Zinsertrag nicht im gleichen Maß steigen, denn viele Engagements der Sparkassen verlieren an Wert: Kredite, die in den vergangenen Jahren zu sehr günstigen Konditionen vergeben wurden, werden die Risikokosten der Sparkassen bereits in absehbarer Zeit belasten. Auch aus den Anlagen der Sparkassen, die regelmäßig aufgrund des Einlagenüberhangs aber auch aufgrund aufsichtsrechtlicher Verpflichtungen getätigt wurden, entstehen Belastungen: Z. B. null- oder negativverzinste Bundesanleihen bleiben im Bestand, sind aber deutlich abgewertet.

Durchschnittlich sind lediglich 82 Prozent der Kundeneinlagen in regio­nalem Kreditgeschäft gebunden. Demzufolge investieren Sparkassen seit jeher auch Teile ihrer Refinanzierungsmittel am Kapitalmarkt, zum größten Teil in Anleihen und Pfandbriefe hoher Bonität. Der Bilanzsummen-Anteil der Anlagen der bayerischen Sparkassen in Aktien und anderen nicht fest­verzinslichen Wertpapieren ist dabei traditionell niedrig.

Die Sparkassen erwarten derzeit, dass ihr Zinsertrag stärker sinkt als der Zinsaufwand und prognostizieren so einen weiteren Rückgang des Zinsüberschusses für das Gesamtjahr 2022. Das Provisionsergebnis prognostizieren die bayerischen Sparkassen für 2022 als gleichbleibend zu 2021, den Verwaltungsaufwand leicht sinkend. Insgesamt dürfte das Betriebsergebnis vor Bewertung auf dem Niveau von 2021 liegen.

Im Verlauf der weiteren Entwicklung müssen die Sparkassen jetzt außerdem – zum ersten Mal seit 10 Jahren – wieder mit Kreditausfällen rechnen. Die Risikovorsorge Kredit und auch das Bewertungsergebnis für das Wertpapiergeschäft dürften sich daher gegenüber 2021 schlechter entwickeln, beide Kennzahlen sind wegen ihrer Abhängigkeit von der Konjunktur- bzw. Kapitalmarktentwicklung jedoch mit Unsicherheiten behaftet. Reuter: „Größeren Korrekturbedarf im Kreditportfolio sehen wir derzeit nicht; die Zahl der Einzelfälle dürfte indes wieder steigen. Wir machen uns Gedanken über eine mögliche drohende Rezession. Vor dem Hintergrund der aktuellen Produktions- und Beschaffungsschwierigkeiten werden wir daher bei den Wertberichtigungen noch vorsichtiger planen als in den beiden Pandemiejahren, die aber unerwartet wenig Auswirkungen hatten. Jetzt wird sich zeigen, wie stark sich z. B. möglicherweise ausbleibende Gaslieferungen aus Russland auf unsere Firmenkunden und die Ausfallrisiken im Kreditgeschäft auswirken.“

Mit dem aktuellen Zinsanstieg wird durch die Rechnungslegungsvorschriften ein Bewertungsbedarf bei den Wertpapieranlagen der Sparkassen ausgelöst: Der Zinsanstieg seit dem Jahreswechsel dürfte bereits zum Teil merkliche Auswirkungen auf den Abschreibungsbedarf der im eigenen Depot gehaltenen Wertpapiere der Sparkassen zum Stichtag 30. Juni haben. Reuter erläuterte: „Damit scheint die Lage der Sparkassen im Wertpapierbereich im Einzelfall schlechter als sie tatsächlich ist, diese Abschreibungen sind in der Praxis jedoch nur vorübergehend. Spätestens bei Fälligkeit werden die Wertpapiere wieder mit dem Nominalbetrag eingelöst. Die Wertminderung wird also im Lauf der Zeit abnehmen. Es handelt sich somit nur um temporäre Buchwertkorrek­turen. Der Zinsanstieg an sich ist gut für das Geschäftsmodell der Sparkassen und wird absehbar auch zu einer Stabilisierung der Ertragslage führen.“ Ein positiver Zins lässt mittelfristig wieder zu, dass durch Fristentransformation und die Anlage von Eigenmitteln Erträge generiert werden.

Die bayerischen Sparkassen haben in den zurückliegenden Jahren mit Kosten- und Effizienzprogrammen auf die Herausforderungen der Nullzinsen reagiert und haben parallel ihre Leistungsfähigkeit in der Flüchtlings- und in der Corona-Krise bewiesen. Reuter: „Damit gehen sie gestärkt in eine mögliche nächste Krisenphase. Sie verfügen über genügend Eigenkapital-Substanz, um ihre Aufgaben verlässlich zu leisten – die bayerischen Sparkassen sind stabil. Derzeit – per heute – sieht es noch danach aus, dass wir insgesamt mittelfristig weniger unter der wirtschaftlichen Gesamt­entwicklung leiden, als wir von der Zinsentwicklung profitieren werden,“ zeigte sich Reuter mit Blick auf die bevorstehenden Monate optimistisch.

Aktuelle Themen der bayerischen Sparkassen

Zinsen und Inflation mehr lesen schließen

Inzwischen steigt das Zinsniveau nahezu weltweit deutlich. Damit treten die Sparkassen und auch die Sparer in eine Phase, nach der sie jahrelang verlangt haben. „Doch die Begleitumstände der Zinswende in Form einer rasanten Inflation und einer möglicherweise drohenden Rezession dämpfen die Erleichterung gewaltig. Denn denkbare Kreditausfälle – diesmal ohne staatli­che Rettungsprogramme – und dann auch eine wahrscheinlich nachlassende Kreditnachfrage würden die Kreditinstitute belasten und im Extremfall sogar den Durchhaltewillen der EZB bei der Zinswende in Frage stellen,“ so Reuter. „Unsere Kunden leiden einstweilen unter den rasant steigenden Preisen bei gleichzeitig einigermaßen unsicheren Zukunftsaussichten. Auch als Sparer sind sie erneut gekniffen – galt früher: Null Zins mit 1 bis 2 Prozent Inflation ist gleich realer Wertverlust, so gibt es jetzt zwar einen positiven Zins, dafür mit über 8 Prozent Inflation einen noch größeren Wertverlust – das ist natürlich verheerend, gerade für Kleinsparer.“

Reuter kritisierte auch die zögerliche Reaktion der Europäischen Zentralbank in den zurückliegenden Monaten: „Sie ist leider spät dran mit dem Beschluss der vergangenen Woche, den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte anzuheben. Dabei gab es seit spätestens Mitte 2021 Anzeichen, dass das Inflationsziel deut­lich verfehlt wird, dass die Preissteigerungen keine vorübergehenden Effekte sind. Es gab Energiepreissteigerungen schon vor dem Angriffskrieg in der Ukraine. Das Signal in den Markt hätte also schon vor einem Jahr erfolgen können, dann wäre die Zinswende dosierter und verträglicher gewesen. Die Heftigkeit, mit der etwa die Bauzinsen in 2022 in die Höhe schnellten, wäre also auch langsamer einzuleiten gewesen. Auch 14 Jahre Geldschwemme sind noch nicht vorbei, denn die EZB hat beim Anleihenankaufprogramm nicht beschlos­sen, das Geld wieder einzusammeln, sondern sie hat nur ihren Fuß leicht vom Gaspedal ge­nommen. Sie ist noch längst nicht im Bremsmodus, siehe auch das neue Krisen­instrument TPI. Wir brauchen jetzt stabile Signale der EZB, dass wir uns auf den Umschwung verlassen können.Der kräftige erste Aufschlag gegen die Inflation darf nicht dazu führen, dass die angekündigte zweite größere Erhö­hung im September ausfällt.“

Verwahrentgelte mehr lesen schließen

Mit steigenden Leitzinsen fallen auch die in der letzten Zeit eingeführten Verwahrentgelte bei den Sparkassen weg. Reuter führte aus: „Der Weg, den die EZB eingeschlagen hat, bereitet das Terrain dafür, dass auf unsere Anlagen, Sparbriefe der Sparkassen, Tagesgelder etc. wieder Zinsen gezahlt werden können, weil die Einlagen wieder nutzbar für Kreditinstitute werden, das ist absehbar. Auch die Sparkassen haben sich schon auf diesen Weg gemacht. Verwahrentgelte gehören demnächst ins Kapitel Geschichte.

Erste bayerische Sparkassen hatten bereits angekündigt, ihre Freibeträge deutlich zu erhöhen oder künftig im Privatkundengeschäft auf Verwahrentgelte zu verzichten. Die Mehrzahl hatte die relevanten Zinsentscheide der EZB abgewartet, insbesondere die Erhöhung des EZB-Einlagensatzes, zu dem Banken überschüssige Liquidität als Zentralbankguthaben bis zum nächsten Geschäftstag im Eurosystem anlegen (seit September 2019 -0,50 Prozent). Soweit Sparkasse und Kunden vereinbart haben, dass das Verwahrentgelt an diesen EZB-Einlagensatz gekoppelt ist (soweit die Einlagen den Freibetrag übersteigen), wird die Sparkasse demnächst automatisch kein Verwahrentgelt mehr berechnen, da die EZB diesen Satz auf Null angehoben hat.

Reuter geht davon aus, dass ab der zweiten Jahreshälfte auch die Zahl der Sparkassen, die wieder verzinste Produkte anbieten, zunehmen wird. „Die Kunden werden sich aber noch gedulden müssen, bis sie mit einer nennenswerten Verzinsung rechnen können. Hier kommt es darauf an, mit welcher Taktung die EZB ihre Sätze anhebt.“

Ausblick mehr lesen schließen

Mittelfristig stärkt die Rückkehr positiver Zinsen die bayerischen Sparkassen in ihrem Geschäft, denn damit ist der Weg zu einer Normalität im Zinsgeschäft vorgezeichnet, auf der ihr Geschäftsmodell basiert. Das haben bereits in der Vergangenheit die Zinsanstiegs-Simulationen des LSI-Stresstestes von Deutscher Bundesbank und BaFin regelmäßig bestätigt. Reuter blickte vorsichtig zuversichtlich in die kommenden Monate: „Die Normalisierung des Zinsgefüges ist die Basis, von der ausgehend wir allen anderen Herausforderungen begegnen. Ich rechne nicht damit, dass die EZB vor 2024 ihr Inflationsziel von 2 Prozent erreicht, denn die Inflation wird in Europa wesentlich durch die Energiepreise bestimmt. Ein immer noch möglicher Gaslieferstopp würde die EZB dabei vor neue Herausforderungen stellen und gegebenenfalls die Notwendigkeit zur Neubewertung ihrer Geldpolitik auslösen. Für die Sparer und für die Sparkassen kann die höhere Inflationsrate jetzt allerdings zumindest teilweise über höhere Zinsen ausgeglichen werden. Es bleibt nun zu hoffen, dass sich die Rezessionsanzeichen – und damit auch die zu erwartenden Folgen für das (Kredit- und Wertpapier-)Bewertungsergebnis – nicht noch verstärken, so dass die EZB ihren neuen Zinspfad zügig weiterverfolgen kann.“